EDURAN Navigator

Der Navigator gibt Einblick ins Börsengeschehen mit Ausblick.

08. Juli 2021

“Marschhalt”. Durch die vielerorts aufgehobenen Lockdowns erholt sich die Wirtschaft weiter. Die Zulieferketten auf der Angebotsseite können kaum mithalten mit der Nachfrage, welche durch aufgestautes Sparkapital zusammen mit einem Nachholbedarf an Konsum kräftig ausfällt. Als Folge davon steigen die Preise. Die Börsen scheinen immer noch sorgenfrei. Jedoch dürften wir dem Fenster näherkommen, wo Inflation oder doch eben doch ein Rückfall in deflationäre Tendenzen die Geschehnisse die Märkte dominieren. Das Kräftemessen ist im Gang: Fürs Quartal entwickelten sich die Märkte seitwärts mit leichtem Hang zur Stärke.

 

Marktrückblick

Die Märkte bestätigten den Aufwärtstrend des ersten Quartals und haben – einmal mehr – die wirtschaftliche Entwicklung vorweggenommen. Gemäss den Auguren sollte sich die Wirtschaft weiter stabilisieren und – auch vertrauend auf den Impferfolg – weiter zur Normalität zurückkehren. Wie auch immer diese Normalität im Detail aussehen wird.

Die durch die Regierungen verordneten Lockdowns mit den dazugehörenden Lasten trugen weiter zum wachsenden Schuldenbetrag bei: Gemessen am Bruttosozialprodukt ist die Schuldenlast der immer noch grössten Volkswirtschaft der Welt, der USA, merklich über die 100%-Marke hinausgetreten und hat mit über 130% weit über der Marke von 106% nach dem zweiten Weltkrieg eine neue beachtenswerte Marke gesetzt.

Mit dem Wiederöffnen der Wirtschaft sind auch die Arbeitslosenzahlen rasant zurückgekommen. Mit der aktuellen Gangart könnten die Arbeitslosenzahlen bereits Ende 2022 wieder auf dem Niveau von vor der ausgerufenen Pandemie landen. Dies wäre eine Erholung, welche sich ca. fünf Mal schneller abspielt als damals bei der Finanzkrise.

Am Arbeitsmarkt sind gleichzeitig auch die Löhne gestiegen. Kritik wird laut, dass aufgrund der relativ grosszügigen Unterstützungsgelder seitens Regierung die Unternehmen höhere Löhne bezahlen müssen, damit die Leute in den Arbeitsmarkt zurückkehren.

Mit der grossartig angelegten Rettungsaktion von Zentralbanken und Regierungen sind die Märkte gewissermassen mit zwei Krücken unterwegs. Die Kritik an solchen Rettungsaktionen wird immer weniger. Wenn auch noch nicht zwingend heute, türmt sich die Gefahr einer gewissen Hybris auf.

Aktienmärkte

Es hat sich alles etwas beruhigt, wenn auch zwischendurch (im Mai und Juni) die Märkte Anstalten machten, nach unten auszubrechen. Die Volatilität ist zurückgekommen. Das Gold hat, nachdem das Tief vom Quartalswechsel Ende März nicht unterboten worden war, zu einer neuen Bewegung nach oben angesetzt. Gegen Ende des Quartals kam die Konsolidierung und der Goldpreis gab wieder etwas nach, wie auch bei den meisten übrigen Metallen und den Agrikultur-Gütern. Einzig die Energieträger wie z.B. das Rohöl konnten in der Tendenz zulegen.

Bei den Sektoren konnten die Energie-Aktien zwar merklich zulegen, jedoch gab es Sektoren, welche noch stärker profitierten: so schwang der Immobilien-Sektor am kräftigsten nach oben aus, gefolgt von den Technologie-Aktien. Am unteren Rand des Spektrums findet sich die Versorgungsindustrie gefolgt von Konsumgüteraktien/Grundnahrungsmitteln, welche noch immer unter der reduzierten Kapazitätsauslastung leiden dürften.

Heute im Fokus

Vor rund 75 Jahren kam es zu einer Zinswende. Gemessen an den länger laufenden US-Staatsanleihen fanden die Zinsen im Frühling von 1946 mit knapp über 2% ihren Tiefpunkt. Über die nächsten 10 Jahre stieg das Zinsniveau dieser Anleihen auf knapp über 3%. Es war der Anfang des famosen Anleihen-Bärenmarktes, welcher von 1946 bis 1981 andauerte. Ein Beginn ohne grosses Getöse, aber mit Nachdruck.

Diese Tage stehen die Zinsen wieder vermehrt im Rampenlicht. Vereinfacht gesagt kann man zwei (gegenteilige) Interpretationen beim aktuellen Geschehen feststellen: Die Inflation setzt ein oder eben die Disinflation kommt zurück (oder noch schlimmer: Deflation setzt ein).

Nach offiziellen Bekundungen der Zentralbanken handelt es sich bei der aktuellen Entwicklung um eine sogenannte transitorische Teuerung. Die Preise ziehen an, weil i) während der Lockdown-Zeit viel Geld angespart worden ist und jetzt der aufgestaute Konsum nachgeholt wird und weil ii) durch die Lockdowns Kapazitäten abgebaut worden sind und nun auf der Angebotsseite fehlen. Nach einem kurzen Anstieg sollte sich die Teuerungsentwicklung wieder einpendeln und leicht ansteigen, ganz nach Fahrplan der Zentralbanken. Die Inflationisten sehen das etwas anders: die erhöhten Preise werden bleiben, was wiederum nach höheren Löhnen verlangt. Eine Aufwärtsspirale kommt in Gang. Die Deflationisten gehen mit den Zentralbanken dahingehend einig, dass der Anstieg der Teuerung nur von temporärer Natur ist, danach jedoch werden die deflationären Kräfte der letzten Jahre sich weiter durchsetzen (Demographie, Technologie, Schuldendruck auf Wirtschaftsvitalität).

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Von der monetären Seite hergesehen spricht man im Markt viel von Gelddrucken und folglich von ansteigender Inflation. Die Zentralbanken haben mit den Geschehnissen der Finanzkrise 08/09 die Zinsen gesenkt und danach, Ende 2011, begonnen vermehrt Anleihen am Markt aufzukaufen. Dadurch sind die Bilanzen der Zentralbanken massiv vergrössert worden. Das Geld jedoch, mit welchen die Anleihen gekauft worden sind, ist nicht direkt in Umlauf gekommen, sondern ist als Guthaben der Geschäftsbanken in der Bilanz der Zentralbank notiert. Tiefe Zinsen sollten Private animieren, Kredite aufzunehmen. So kommt die Wirtschaft in Schwung. Tiefe Zinsen jedoch zeigen auch, dass die Kreditvergabe stockt: Man senkt die Zinsen, damit wieder Kredite aufgenommen werden. Milton Friedman hat dies in seinen Arbeiten aufgezeigt. Sind die Zinsen zu tief, kommt hinzu, dass die Banken vermehrt nur noch an solvente Klienten ausleihen, da kaum Reserven bzw. Margen für Ausfälle vorhanden sind. Möglicherweise sind wir mit dem Covid-Schock an diesem Punkt angelangt – die Kreditvergabe ist gemäss der veröffentlichten Statistik weniger geworden. Das Geld, welches die Geschäftsbanken bei den Zentralbanken als Reserve haben, bleibt im Bankensystem gefangen und findet den Weg nicht in die Wirtschaft. Somit hat es tendenziell zu wenig oder einfach weniger Geld in der Wirtschaft; kommt hinzu, dass bestehende Kredite eines Tages zurückbezahlt werden, inklusive den Zinsen. Es kann die These aufgestellt werden, dass mit stockender Kreditvergabe die sich im Umlauf befindende Geldmenge schrumpft und Vermögenswerte nach unten korrigieren müssten. In der Konsequenz entsteht deflationärer Druck.

Die Abbildung zeigt z.B. den Zusammenhang zwischen der Verschuldung der Privathaushalte und der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes (Geldmenge M2: Bargeldumlauf und Buchgeld-Sichtguthaben).

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Die Rendite der 10-jährigen US-Treasury hat sich vorerst wieder etwas gesenkt, nachdem im ersten Quartal ein frappanter Anstieg zu verzeichnen war. Ob die Märkte die Ansicht der Zentralbanken teilen, nämlich, dass die Inflation nur von vorübergehender Natur ist, und/oder, dass die Anleihen einfach an Wert zulegen, weil die Banken das Geld nicht ausleihen können und somit dieses in Festverzinsliche investieren?

Die inflations-adjustierten Staatsanleihen zeigen keine grossen Tendenzen hin zu anziehender Teuerung. Im Gegenteil: Vergleicht man die aktuelle Situation mit der Krise im Jahr 08/09, können Ähnlichkeiten festgestellt werden. Nach einem anfänglichen Aufbäumen der Rendite, notierte diese gegen Ende des Quartals wieder tiefer.

Die Zinskurve ist über das Quartal hinweg ein wenig steiler geworden. Jedoch hat sie sich jüngst, nach dem Treffen der Federal Reserve, etwas verflacht (die kurzen Zinsen könnten doch etwas früher angehoben werden als gedacht, so die Spekulation).

In Europa hingegen sind die Renditen etwas angestiegen, so beim Deutschen Bund, wo die Rendite (10 Jahre) von -0.29% auf -0.20% angestiegen ist. In Italien sind die Renditen von 0.67% auf 0.82% und in Frankreich von 0% auf 0.13% gestiegen. Die Industrie erholt sich, und der Euro konnte nicht nach oben ausbrechen (nächster Anlauf zur Schwäche gegenüber dem US-Dollar?). Im Vereinigten Königreich fiel die Rendite von 0.85% auf 0.72%.

Ausblick

Die Biden-Administration hat Grosses vor und plant Mehrausgaben in der Grössenordnung von USD 6-8 Trillionen (bis leicht darüber). Dies macht rund 1/3 der geschätzten jährlichen Wirtschaftsleistung der USA aus. Die US-Bürger erhalten via «American Rescue Plan» USD 1400.— zusätzlich zu den bereits ausbezahlten USD 600.— und die von der damaligen Administration Trump zugeschickten USD 1’200.—. Der «Build Back Better Plan» besteht zudem aus dem «American Jobs Plan» und dem «American Families Plan». Man stellt fest: Der Staat nimmt das Heft fest in die Hand.

Auch anderswo, in weiteren Nationen, hat die Politik Massnahmen ergriffen und Programme auf die Beine gestellt, um Privatpersonen und Unternehmen zu helfen. Legitim, hat doch die Politik mit den Lockdowns den Schaden mit verursacht. Doch: Was von der Politik einmal installiert worden ist, bleibt oft länger als gedacht. Es entstehen Abhängigkeiten mit der Konsequenz, dass der Staat hat gegenüber der Privatwirtschaft an Einfluss gewinnen könnte. Bald dürften von der Politik auferlegte Regulatorien folgen. Die Wirtschaft wird weniger frei. Die Notleidenden werden sein, welche die Rechnung beim Staat bezahlen können (oder eben müssen) und wenig mobil sind: die Mittelschicht und das Gewerbe. Die Administration Trump war auf dem Weg, getreu dem Mantra «Make America Great Again», Kapital und Jobs zurück in die USA zu holen – auf Kosten der Gewinner der Globalisierung über die letzten 20-30 Jahren wie z.B. China oder andere globale wie auch regionale (Mexico) Werkstätten. Die Administration Biden scheint weniger mit Nachdruck in diese Richtung arbeiten zu wollen und somit wird ein Teil der Wertschöpfung ausserhalb der USA stattfinden. Ohne zusätzliche (sinnvoll bezahlte) Jobs und somit Einkommen dürfte die politische Situation angespannt bleiben, in den USA, aber auch in Europa.

Grundsätzlich scheint im Markt davon ausgegangen zu werden, dass, was sich in den letzten rund zehn Jahren an den Märkten abgespielt hat, so fortsetzt. Zentralbanken – und neu seit Covid auch die Regierungen – versuchen stets Verwerfungen aufzufangen. Die Zinsen bleiben tief, das Kapital wird in Risikoanlagen getrieben. Jedoch zeigt sich, wie im Abschnitt über die Zinsen dargegelegt, dass, je tiefer die Zinsen, desto mehr kommt die Kreditvergabe ins Stocken (die Banken werden selektiver bei der Kreditvergabe aufgrund der tieferen Marge). Dies könnte fatale Folgen haben, denn die deflationären Kräfte würden an Dynamik gewinnen und Vermögenswerte, inklusive Aktien, müssten in der Konsequenz an Wert einbüssen. Es gilt somit, diese Entwicklung genau im Auge zu behalten, in Qualität zu investieren und wo möglich zu diversifizieren (was eine Herausforderung sein kann, da vieles von den Zinsen abhängt).

“There ain’t no such thing as a free lunch.”  Robert A. Heinlein, „The Moon Is a Harsh Mistress“, 1966

EDURAN AG

Thomas Dubach

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